Off the Road again – Geländewagen Manufaktur
„Ihr Ziel liegt auf einer unbefestigten Straße“
Man kann sich sowas manchmal gar nicht ausdenken. An diesem warmen Juli-Morgen, ja solange dauert es manchmal bis ein Artikel fertig wird, steige ich in meine absolut Offroad-untaugliche S13 und gebe die Adresse der Geländewagenmanufaktur in Michendorf bei Potsdam in mein Navi ein und wie ein Wink mit dem Zaunpfahl wird mir nochmal verdeutlicht, dass ich mich aus meiner automobilen Wohlfühlzone begebe.
Auch wenn die Straße dann, Gott sei Dank, doch nicht unbefestigt war.
Na klar steh‘ ich auf tiefergelegte Hütten, wie jeder andere USED4-Afficionado. Aber eine eindrucksvolle Begegnung der höhergelegten Art auf dem Besucherparkplatz in Paaren/Glien aktivierte meine Auto-Spürnase und so musste ich diesmal der Fährte einer ganz anderen automobilen Spezies folgen. Ich schrieb eine Email an die Jungs der Geländewagenmanufaktur.
Ich kann natürlich nur von mir selber reden. Aber die Tatsache auf ein Autotreffen zu fahren, wo einem eher anerkennend zugenickt wird, wenn man seine Karre eben nicht vorher bis in die Innenradhäuser poliert hat, klingt doch schon irgendwie verlockend. Aber ich bin auch ein fauler Hund, wenns ums Putzen geht… anderes Thema.
Auf besagte Email meldeten sich die Inhaber Max Schrödel und (Allradfluchtwagen-) Tim Hendricks auch prompt zurück, um uns einen Einblick in ihre heiligen
Hallen zu bieten.
Wer eine Bande tättowierter Bartträger erwartet hat, die sich von einem Typen mit zurückgegelten Haaren und Ray Ban antreiben lassen müssen, ein Auto
fertig zu kriegen, weil sie den Laden sonst dicht machen können, wird jetzt enttäuscht.
Max und Tim sind zwei bodenständige junge Männer, die ihr Hobby und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben.
Leidenschaft ist ein in Firmenportfolios so überstrapazierter Begriff, „Gas, Wasser, Scheiße Firma Kaputtke – Leidenschaftlich Klempner“, dass ich den
Begriff lieber meide. Aber es kommt halt vor, dass man ihn doch guten Gewissens anwenden kann.
Allradfluchtwagen
Ein guter Indikator für die Glaubwürdigkeit dieser Leidenschaft ist zum Beispiel Allradfluchtwagen-Tims, japp richtig geraten: Allradfluchtwagen.
Man muss nicht mal wirklich was mit Geländewagen oder generell Autos am Hut haben, um zu sehen, für was dieser Land Rover Defender umgebaut wurde.
Anders als in unserer üblichen Berichterstattung heißt das in diesem Fall höher, breiter, untersetzter.
Zusatzscheinwerfer, Schnorchel, Liftkit… alles wurde eingebaut, um einen Zweck zu erfüllen. Und dieser Zweck ist weder auf dem Mäcces Parkplatz zu
beeindrucken, noch Pokale bei Show and Shine-Wettbewerben zu gewinnen. Es sind andere Pokale, die Max und Tim mit diesem Defender gewonnen haben.
Ein Wort, welches im Laufe unseres Gesprächs immer wieder fiel, war Freiheit.
Und dabei ging es nicht nur, man verzeihe mir das Wortspiel, um Bodenfreiheit. Auch wenn diese eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt neben Air-locker-
Differenzialen und PU-Buchsen für das gesamte Fahrzeug.
Gemeint ist viel mehr, der wahre Grund hinter allen Modifikationen, die man an seinem Offroader tätigt.
Freiheit.
Die Freiheit da lang zu fahren, wo man möchte, auch wenn dort keine Straße ist.
Tims Defender ist ausgestattet, um an GPS-Trophies und anderen fortgeschrittenen Geländeveranstaltungen teizunehmen.
CB-Funk, ein Terratrip Rally Computer und Laptophalter sind keine Must-Haves für einen motivierten Einsteiger in das „Hobby“ Offroading.
Eine Axt, Zusatzscheinwerfer und etwas Lieberté toujours sind aber auf jedem Trip in Gebiete jenseits asphaltierter Straßen durchaus hilfreiche Companions.
Für diejenigen, die sich fragen, wieso man die Differenziale nur bei Bedarf zuschaltet: Durch große Räder und eine hohe Untersetzung sind die Antriebsstränge im Gelände unter sehr hoher Belastung. Da eine Differenzialsperre auch immer ein Verschleißteil ist, versucht man selbige nur zu nutzen, wenn es wirklich nötig ist. Des Weiteren gibt es auch Situationen, in denen es nicht von Vorteil ist, alle Räder anzutreiben.
Wer sich bereits einen 4×4 geholt hat und sich diesbezüglich fortbilden möchte, kann Tim auch kontaktieren.
In Seminaren am lebenden Objekt vermittelt er alles Wissenswerte und Nötige, um sich seiner ersten 4×4-Expedition zu stellen.
Allradler aus dem Hause Land Rover bieten sich in unseren Breitengraden als perfekte „Projektfahrzeuge“ an, da sie in relativ großer Zahl
verfügbar sind und auch Aftermarket-Teile über keinen großen Teich zu uns verschifft werden müssen.
Aber auch das Land der aufgehenden Sonne bietet Fahrzeuge mit einer guten Basis für vielversprechende Offroader, wie dieser Nissan Patrol
aus dem Kundenstamm beweist.
Der ehemalige Trophy-Truck [oder wie bezeichnet man diese Klasse in der, der Wagen unterwegs war?] wurde von Tim und Max nach Kundenwünschen
zu einem Overlander umgebaut und befindet sich seitdem bei der Geländewagen-Manufaktur in Pflege.
Womit wir zum eigentlichen Vorführfahrzeug der Geländewagenmanufaktur kommen.
Der Land Rover Discovery der zweiten Generation ist stark am Gebrauchtmarkt vertreten und lässt sich teilweise günstiger beschaffen als
ein UHD-Flachbildfernseher der neuesten Generation.
Auch eine recht hohe Reparaturfreundlichkeit und weltweit relativ sichergestellte Ersatzteilversorgung, sind ein Grund, warum der Disco
sich einer hohen Beliebtheit erfreuen kann.
Im Heck des Fahrzeugs befindet sich ein Frischwassertank mit Duschelement, dessen Schlauch bis zur Fahrzeugfront reicht, so wie das
hauseigene AFW-Verstausystem (inkl. Bett).
Natürlich macht so ein Expeditionsfahrzeug mit Alukisten und Reserverad auf dem Dach ordentlich Eindruck, wenn man damit mal
schmutzverschmiert in der Stadt aufschlägt. Aber wer auf seiner Reise wirklich auch durch steiles Gelände kommen möchte, ist gut damit
beraten möglichst viel Material im Fahrzeug zu verstauen, um den Schwerpunkt niedrig zu halten.
Das Bett ist innerhalb von wenigen Minuten zusammengebaut und bietet auch im benutzbarem Zustand noch ordentlich Stauraum darunter.
Der Aufbau ist intuitiv und alle Befestigungspunkte arbeiten mit Original-Gegenstücken im Innenraum des Fahrzeugs.
Im Innenraummodul befinden sich auch der geklemmte, herausnehmbare Kühlschrank, sowie der Wassertank.
Der Bordkompressor ist herausnehmbar, um ggf. auch an Räder, die nicht zu diesem Fahrzeuge gehören, ranzukommen. Die Schlauchlänge reicht aber, um die eigenen Räder mit Druckluft zu versorgen.
Für mich persönlich besonders beeindruckend ist die Tatsache, dass alle Modifikationen am Discovery innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens wieder komplett rückrüstbar sind.
Solche „Details“ zeugen immer vom Aufwand, der bei der Konstruktion der Umbauten betrieben wurde.
Im Cockpit geht es dagegen weitaus unspektakulärer zu als in Tims Defender.
Ein Hauptschalter für alle Zusatzgerätschaften, einer für die obligatorische Winde, einer für die Zusatzscheinwerfer und der letzte für
das Zuschalten der zweiten Batterie.
Alles in allem könnte man den Discovery unter der Woche in Berlin, Hamburg oder München als Daily Driver benutzen und am Wochenende damit
in der Walachei offroaden und campen.
Was durchaus wörtlich zu nehmen ist, da Rumänien ein beliebtes Reiseziel bei Offroadtouris ist.
I take you to the Landy-Shop
Im Empfangsbereich befinden sich neben dem Landy und Prospekten von Offroadzubehör, die Ausrüstungsgegenstände und -module, die im
„alltäglichen“ Gebrauch nicht zwangsläufig mitgeführt werden müssen.
Nebst der bereits erwähnten Pokalen, die Tim und Max mit dem Defender bereits gewonnen haben.
Als jemand, der seit Längerem in keiner Werkstatt mehr im herkömmlichen Sinne arbeitet, setzen diese und die folgenden Bilder Endorphine bei mir
frei.
Klar, einiges muss man erstmal zugänglich machen, aber es ist alles da, was ein wasch(baby)echtes Schrauberherz braucht.
Von der Presse über den Waschtisch und die Drehbank bis zur Standbohrmaschine und dem größten Motorkran in der Geschichte der Menschheit.
Meine Theorie zur Entstehung des Hydrobull: „Womit heben wir eigentlich den Motor aus einem Leopard II?“
Was bei Nissan-Schraubern der Volvo Ladeluftkühler ist, scheint bei Landy-Schraubern der Golf III TDI Ladeluftkühler zu sein.
Wer den Platz hat, braucht für Autos zum Hinstellen nicht zu sorgen oder so ähnlich.
Wie es bei Menschen mit automobilem Hobby so üblich ist, beschränken sich die wenigsten auf ein Fahrzeug.
Und so kommt es, dass manche Kunden auch diverse andere „Langzeitprojekte“ bei Max und Tim abladen.
Das Bastelauto steht nicht mehr in der Einfahrt, weshalb die Frau zufrieden ist und die Jungs von der Geländewagenmanufaktur haben auch
was zum austoben, wenn alle geländegängigen Kunden am anderen Ende der Welt sind oder deren Autos Winterschlaf halten.
Win/Win wie man so schön sagt.
„Und wenn du in dieser Werkstatt nicht das richtige Werkzeug findest, Mister Arizona, dann hast du von Autos keine Ahnung.“
– so ein Glatzkopf aus so einem Film
Time to say Goodbye
An dieser Stelle sei erwähnt, dass das Wetter an diesem Juli-Tag ausgesprochen wechselhaft war und die Lichtverhältnisse entsprechend
schlecht zu weilen.
(Am selben Tag war ich noch zu einem anderen Termin verabredet und kam danach auf der Autobahn in ein Gewitter, welches Geschwindigkeiten von
über 30 km/h als todesmutig hinstellte. Aber das nur am Rande.)
Aber bevor ich, mit vielen Gedanken wie sinnvoll so ein Land Rover Discovery doch meinen Alltag bereichern würde, vom Hof zog, kam noch
einmal die Sonne raus und ich nutzte das, um noch ein paar letzte Bilder zu machen.
Es war ein absolut kurzweiliger Tag, den ich in der Geländewagenmanufaktur verbracht habe und ich bin froh jetzt endlich meine Erfahrungen
in Worte gefasst zu haben.
Wer sich für Offroadfahrzeuge begeistert oder begeistern möchte, aber selber kein Schrauber ist oder über zu wenig Erfahrung
verfügt, ist bei Max und Tim in den besten Händen.
In meinem Sommerurlaub bin ich mit meinem 3er Touring beim Befahren eines Waldwegs fast steckengeblieben…
Was kostet so ein Disco nochmal?!