TVR Sagaris – Der Exot unter den Exoten

Das britische Küstenstädtchen Blackpool ist eigentlich für genau zwei Dinge bekannt: Eine extrem hässliche Kopie der oberen Hälfte des Eiffelturms und nochmals hässlichere Junggesellenabschiede, die der Stadt in ganz Großbritannien den Ruf bis ans Ende aller Tage ruiniert haben dürften. Daneben gibt es aber noch eine Sache, die wohl nur bei den wirklichen Kennern unter den Autokennern bekannt ist: Die Autoschmiede TVR.

Dieser kleine aber feine Autohersteller hat bis zur Schließung der Fabrik im Jahre 2006 einige ziemlich wilde, vor allem schnelle und polarisierende Fahrzeuge auf die Straße geschickt, die wohl heute sogar unter Exoten als exotisch gelten. Viele kennen TVR wohl hauptsächlich aus Videospiel-Reihen wie Gran Turismo und haben dort früher oder später mal ihre Runden in einem Griffith gedreht und beim TVR Tuscan Speed Six die ungewöhnliche Optik entweder gefeiert oder belächelt.

Eines der beliebtesten Modelle der Marke TVR dürfte hierbei der Sagaris gewesen sein. Das Auto nach einer Kampfaxt zu benennen, hat hier definitiv einen guten Grund: Der Sagaris geht über den Asphalt wirklich wie die Axt durch den Wald und ist nichts für Mädchen-Männer, die ihren Audi voller Stolz bei 200 auf der Autobahn gerade halten können.
Nein, der Sagaris verfolgt wie jede andere TVR ein einfaches Konzept: Keine Airbags, kein ESP, kein ABS, keine Traktionskontrolle. Diese Systeme werden in Kopf und Fuß des Fahrers ausgelagert.

Wer hier die angegebenen 1078kg Leergewicht mit gut 380PS und 473Nm aus dem 4.0L Reihensechszylinder auf Tempo bringen will, braucht nicht nur einen ordentlichen Satz Eier, sondern auch viel Feingefühl. Schluss ist hierbei übrigens laut TVR erst bei knapp über 300kmh.

Das Triebwerk kennt keine fancy Techniken wie Turbos oder Direkteinspritzung, sondern stellt klassische Ingenieurskunst dar. Entwickelt wurden die Sechszylinder bei TVR auch komplett in Eigenregie, anstatt einfach Motoren einzukaufen (Ja, Wiesmann, wir blicken in eure Richtung).

Bis 100kmh geht es in gerade mal 3,7 Sekunden. Von 100 wieder zum vollen Stillstand geht es Dank der Bremsanlage aus dem Regal von AP-Racing in nur 2,9 Sekunden. Schneller wäre vermutlich nur ein Ankerwurf.

Dank dem geringen Gewicht und der Gitterrohrkonstruktion, die die Basis für den TVR darstellt, ist der Sagaris natürlich ein absolutes Kurvenmonster. Zur Sicherheit ist der Fahrer hierbei übrigens von einem Überrollkäfig umgeben, der aber unter feinstem Leder versteckt ist und einem nicht sofort ins Auge springt.

So wird nach dem Einsteigen erst auf den zweiten Blick klar, dass man sich in einem waschechten britischen Rennwagen befindet und nicht in einem regulären Brot-und-Butter Sportler aus deutscher Produktion.

Interessante kleine Details machen den kleinen sogar etwas schrulligen und definitiv sehr polarisierenden Sagaris bei den Autofans beliebt. Sei es etwa der GT40eske-Hubbel im Dach, damit man als Rennfahrer mit Helm ordentlich Platz hat, oder die vielen Luftein- und auslässe. An allen Ecken und Enden gibt es etwas zu entdecken.

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Wer etwa bei dem durchsichtigen Heckflügel ins Lachen kommt und diesen für lächerlich befindet, der wird auch nie verstehen, dass sowas schon ungemein praktisch ist, wenn man am Steuer sitzt und in den Rückspiegel schaut. Genauso bietet das zentrale Display keine Navigation oder unnötigen Pi-Pa-Po, sondern ist nur auf das nötigste reduziert. Also Wassertemperatur, Öltemperatur, Öldruck usw.

Die TVR-DNA – wie sie immer so gerne erwähnt wurde – ist sehr einfach: Leistung, wenig Gewicht, viel Spaß und Respekt vor den Kräften, die um und auf das Fahrzeug wirken. Das Fahren eines TVR lehrt den Fahrer Respekt zu haben und sein eigenes Können einzusetzen, statt sich auf elektronische Systeme zu verlassen. Etwas, das bei selbstfahrenden BMW M-Modellen und autonomen Audis nichts mehr mit sportlichem Fahren zu tun hat. Nein, beim TVR schiebt jeder Gasstoß das Heck herum, wer auf der Bremse steht, untersteuert massiv ohne das ABS und wer Blödsinn macht, muss wissen, dass hier kein ESP zu Hilfe eilen wird.


Nachdem der russische Vorbesitzer Nikolai Smolenski – von Jeremy Clarkson stets als „russian business boy“ betitelt – den Laden mit voller Wucht gegen die Wand gefahren hat, ist die Marke TVR bei der Videospiel-Legende Les Edgar gelandet. Dem ehemaligen Chef von „Bullfrog“ (bekannt für Theme Park, Syndicate, Magic Carpet, Dungeon Keeper).

Hoffen wir, dass das Revival der Marke TVR mit dem neuen Modell einen neuen Dinosaurier hervorbringt, der das Autofahren wieder auf seinen Kern reduziert. Und zwar ohne in Watte verpackt zu werden. Les Edgar hat bereits angekündigt, dass der neue TVR einen Cosworth V8 erhält und das Chassis sowie die Entwicklung von Gordon Murray übernommen werden. Dieser hat sich Anfang der 90er schon mit dem McLaren F1 ein Denkmal gesetzt.

In diesem Sinne: Mehr Dinosaurier bitte!

Robert Kwiecien – USED4.net